Freitag, 12. Dezember 2014

"Unglaublich, wie die sich verhält."



Ich trage gern kurze Röcke. Sehr gerne sogar. Glücklicherweise bekomme ich nicht so viele dumme Sprüche zu hören. Nicht mehr. Oder ich höre es einfach nicht mehr. Kann auch sein. Jedenfalls tobe ich mich aus seit ich realisiert habe, dass ich anziehen kann was ich will. Das war aber nicht immer so und leider gibt es immer noch Frauen, die sich nicht trauen, zu tragen was ihnen gefällt. Ich weiß noch genau, wie es war, als ich ein kleines Regalbrett voll mit weiten Jeans und ein paar T-Shirts und Pullovern hatte. Reichte ja. Zumindest, wenn es nach dem ging, der mir diese Kleidung verordnet hatte. „Zieh dich nicht an wie eine Nutte. Oder willst du irgendwelche anderen Typen abschleppen?“ Das waren die Worte, die sich bei mir eingebrannt hatten. Wie eine Nutte. Andere Typen abschleppen. Und schon hatte ich beides mit dem Gedanken an kurze Kleidung verknüpft und nicht mehr nachgefragt. „Und viel Kleidung braucht man ja auch nicht, wenn man regelmäßig die Waschmaschine benutzt.“
Das ist etwas, das sich mir eingebrannt hatte  und das ich nicht so leicht loswurde. Und noch heute habe ich ein Problem damit, herumzulaufen wie ich will. Nicht wie es andere von mir verlangen.
Wer kennt diese Sprüche nicht? „Selbst schuld, dass sie in der Schule gemobbt wird. Was trägt die auch so komische Klamotten?“ „Selbst schuld, dass sie belästigt wurde, dieser Rock war ja quasi eine Einladung dazu.“ „Warum ziehst du dich so nuttig an? Hast du keinen Freund? Selbst schuld, wenn du so herumläufst. Das ist doch gleich eine Einladung.“
Okay, also ist kurze Kleidung ein Zeichen dafür, dass ich jemanden abschleppen will und jeder, der mich sieht, hat das Recht, mich anzugrabschen oder auszulachen? Das ist genauso wie wenn man mir erzählen würde, ich hätte keinen Bock darauf, zu heiraten und Kinder zu bekommen, nur weil ich eine Ausbildung zur Krankenschwester mache. Schichtdienst und harte körperliche Arbeit. Da hat man dann keinen Bock mehr, seinem Typen alles hinterher zu tragen, ne? Aber ganz ehrlich: Das hätte ich ohnehin nicht. Selbst wenn ich im Büro von 8:00 bis 16:00 Rechnungen und Geschäftsbriefe tippen würde. Aber das wäre doch ein viel angesehenerer Beruf. Ich bin doch selbst daran schuld, wenn mich jetzt keiner mehr haben will, wenn ich an Wochenenden, Nachmittagen und später noch in Nächten arbeite, völlig verstört von der Arbeit komme, weil sich dort während meiner Schicht jemand aus Versehen selbst den Katheter gezogen hat oder ein Kind gestorben ist und ich doch sowieso, selbst wenn ich einen anderen Weg eingeschlagen hätte, keine kleine arbeitslose, zugeknöpfte und stille Dienerin gewesen wäre. Nee, irgendwie sehe ich das anders. Ich will mittlerweile niemandem außer mir selbst gefallen. Ich arbeite in dem Beruf, den ich machen will, trage das, worin ich mich wohlfühle und würde meinen Kleidungsstil genauso wenig wie mein Leben meinem Beziehungsstand anpassen. Ich bin ein eigenständiger Mensch und keine einsame Hälfte oder irgendwann wieder Teil einer Einheit, die sich „Paar“ nennt, als der man gefälligst scheiße auszusehen hat, weil man ja niemanden mehr beeindrucken muss.
Darauf habe ich keinen Bock. Ganz ehrlich. Ich will mir nicht anhören: „Darfst du das überhaupt? Ist dein Freund nicht eifersüchtig?“ Für die, die es wissen wollen: Nein, denn ich habe keinen. Aber auch in meinen letzten drei Beziehungen war das nie ein Thema gewesen. Nummer Eins nehme ich da mal aus, der war sowieso ein Arschloch, was nicht so ganz die Regel ist bzw. sein sollte. Wieso sollte so etwas auch ein Thema sein? Er muss es ja nicht tragen, oder? Ist ja nicht so als würde ich alle Männer in meinem Umfeld dazu zwingen, Miniröcke und bunte Strumpfhosen zu tragen. Es ist sowieso eine schreckliche Sache, dass so etwas noch immer gefragt wird. Dass anscheinend noch so viele Menschen der Meinung sind, eine Frau müsse sich noch für alles die Erlaubnis ihres Mannes holen. Nein, die brauche ich nicht. Und wenn ich keinen habe? Dann bin ich natürlich so eine, die keiner haben will, weil sie doch bestimmt von einem Bett ins andere springt. Als hätte ich nichts besseres zu tun. Meine Arbeit zum Beispiel. Und ja, ich werde mein Leben lang Krankenschwester bleiben. Ja, ich habe Schichtdienst, das ist mir klar. Dann soll eben mein Mann später schauen, wie er sich mit um die Kinder kümmert. Und nein, meine Kinder werden keine bleibenden psychischen und sozialen Schäden davontragen, nur weil ich so lebe wie ich will. Immerhin befinden wir uns im 21. Jahrhundert und ich darf genauso entscheiden, wie ich arbeite, welchen Beruf ich ausübe und wie ich mich privat kleide wie es ein Mann darf. Zumindest sollte ich das dürfen. Wir haben noch einiges Aufzuholen.

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